Es klingt trivial, aber bevor künstliche Intelligenz in einem Pathologielabor dabei hilft, aus einer Gewebeprobe einen Befund zu erstellen, braucht es Technik: Spezial-Hardware wie Scanner und spezielle Arbeitsplätze, Software und Schnittstellen, ein ordentliches Netzwerk für hohe Internetgeschwindigkeit und ziemlich viel Speicherplatz. „Für eine große Pathologie mit einer hohen Durchsatzzahl sprechen wir von siebenstelligen Investitionskosten“, sagt Prof. Dr. Peter Schüffler. Der Bioinformatiker, Jahrgang 1983, weiß, wovon er spricht. Er hat in den letzten zwei Jahren am Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie an der TU München eine komplett neue Welt erschaffen – eine volldigitalisierte Pathologie. In Deutschland ist das (noch) eine Rarität.
Bei einem Presseevent „Next Generation Pathology“, das am 23. Mai 2024 am Institut für Pathologie der TU München im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie vom 23. bis 25. Mai in München stattfindet, wird Prof. Schüffler digitale Pathologie direkt vor Ort im Institut vorstellen. Vorab erklärt er im Kurzinterview, worum es eigentlich geht.
Digitale Pathologie | beschreibt die medienbruchfreie Digitalisierung des Routinebetriebs eines Pathologielabors.
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Computergestützte Pathologie | oder Computational Pathology umfasst 1) die digitale Pathologie und 2) Machine-Learning-Modelle (KI) zur Bildanalyse.
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Seit < 10 Jahren
| gibt es Computational Pathology für die Routine in Deutschland. |
2 bis 80 Schnitte (Slides)
| werden in einem Pathologielabor aus 1 Gewebeprobe hergestellt und untersucht. |
1.000 Slides | werden jeden Tag in der Münchner Pathologie hergestellt und untersucht.
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1-2 Gigabyte
| Speicherplatz braucht 1 Slide. |
2 Terabyte (= 2.048 Gigabyte = 2.048.000 MB) | Speicherplatz braucht die Münchner Pathologie jeden Tag. |
… Prof. Dr. Peter Schüffler, Professor für Computational Pathology am Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie der Technischen Universität München.
Bei der bevorstehenden DGP-Jahrestagung vom 23. bis 25. Mai in München laden Sie die Presse ins Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie der TU München ein. Was wollen Sie zeigen?
Wir haben in den letzten zwei Jahren die technologischen Voraussetzungen geschaffen, um mit künstlicher Intelligenz Gewebe zu analysieren. Der gesamte Arbeitsablauf einer Pathologie ist bei uns seit letztem Jahr voll digitalisiert – das wollen wir zeigen. Besonders wichtig ist die Digitalisierung von Schnittpräparaten durch sogenannte Slidescanner, womit Whole Slide Images – kurz WSIs – entstehen. Wir haben acht Scanner für digitale Bildgenerierung. Darüber hinaus wurden geeignete Arbeitsplätze für Pathologinnen und Pathologen sowie ein redundantes, ausfallsicheres Image-Management-System, Schnittstellen zum Laborinformationssystem und genug Speicherplatz beschafft und nahtlos implementiert. Wenn alle Welt von Digitalisierung als Zukunftsthema spricht – bei uns ist sie Alltag. Es gibt wenig Vergleichbares in Deutschland. Wissenschaftsjournalisten und IT-Redaktionen können sich davon beim Presseevent in unserem Institut selbst ein Bild machen.
Sie haben in den vergangenen zwei, drei Jahren Neuland betreten und viele Kämpfe gekämpft.
Das ist richtig. Vor allem kommt bei der ganzen technologischen Entwicklung die Gesetzgebung kaum hinterher. Das bremst uns. Wir würden zum Beispiel gern externe Cloud-Lösungen nutzen, um die digitalen Bilder zu speichern – sie brauchen viel Speicherplatz. Das geht aber momentan rechtlich nicht, also haben wir Server, und ich hoffe, dass das nur vorübergehend ist. Aber trotz aller Hürden: Die Pathologie in München ist ein Vorreiter, weil alle relevanten Stellen der TU München und des Klinikums Rechts der Isar das wollen, innovationsoffen sind und personelle sowie finanzielle Ressourcen bereitstellen.
Was ist der nächste Schritt nach der Digitalisierung des Workflows in Ihrem Institut?
Wir fangen im April an, neben dem hauseigenen Hochleistungscluster auf neuen Rechnern mit modernsten Grafikprozessoren KI-Modelle zu trainieren. Sie sollen künftig Gewebeschnitte analysieren, Vorhersagen zur Prognose oder zum Therapieansprechen generieren oder Objekte quantitativ erfassen können. Allerdings dauert es noch, bis unsere KI gelernt hat, verifizierbare und nachvollziehbare Aussagen zu treffen. Unser Ziel ist es, so schnell wie möglich Algorithmen zu haben, die den Pathologinnen und Pathologen auch bei schwierigen Fällen helfen, zum Beispiel bei Krebs mit unbekanntem Primärtumor. Es ist gar nicht so selten, dass Metastasen festgestellt werden, ohne dass der zugehörige Ursprungstumor bestimmt werden kann. KI-unterstützte Befundung wird dafür in den nächsten Jahren die Lösung sein, davon bin ich überzeugt. KI erkennt und kombiniert Muster, die der Mensch mit bloßem Auge nicht sieht. In Zukunft – und zwar noch in meinem Berufsleben – wird eine ganze Klaviatur von Algorithmen bereitstehen, die in Pathologielaboren bei der Befundung und für die Therapiewahl durchgespielt werden können.
Prof. Dr. Peter Schüffler, Professor für Computational Pathology am Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie der Technischen Universität München.
„In der computergestützten Pathologie geht es nur vordergründig um Technologie und Kosten. In Wahrheit geht es um Menschen, um herausragende Fachleute mit einer Spitzenausbildung und außergewöhnlicher Expertise bei der Befundung. KI soll diese Spezialistinnen und Spezialisten unterstützen, den Arbeitsablauf zu verbessern und die Genauigkeit sowohl bei der Entdeckung von Erkrankungen als auch bei der Diagnose voranzutreiben. Für die heutigen Pathologinnen und Pathologen ist das mit einem kompletten Wandel des beruflichen Selbstverständnisses verbunden. Digitalisierung ist deshalb in erster Linie ein Changeprozess, bei dem es um Akzeptanz und Anpassung von Menschen an die neue Arbeitsweise geht. Es gibt nur 1.800 praktizierende Pathologinnen und Pathologen in Deutschland – und wir können auf keinen verzichten.“
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