„Pathologie ist für mich das spannendste Fach der Medizin“, betont Dr. Wiebke Solaß. „Hier kommen die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen zusammen und anders als in anderen Fachgebieten haben Pathologen als Allrounder den gesamten Menschen im Blick“, so die angehende Fachärztin. Sie hat ihr berufliches Zuhause am Pathologischen Institut der Eberhards-Karl-Universität Tübingen und ist Mutter von zwei kleinen Töchtern. Dass sie sich einmal für diese Disziplin entscheiden würde, hätte sie während ihres Studiums nicht gedacht. Ihren Weg in die Pathologie und Vorschläge für die Nachwuchswerbung erläutert die 33-Jährige im Interview.
DGP: Frau Dr. Solaß, wollten Sie immer schon Pathologin werden?
Solaß: Chirurgie war die Richtung, die ich zuerst einschlagen wollte. Während meines Studiums habe ich nicht gedacht, einmal Pathologin zu werden. Letztlich hatte ich bis zum Ende des Studiums keine Vorstellung von der Bedeutung und der Vielseitigkeit des Fachs. Ich erinnere mich noch genau: Ich bin interessiert in die pathologischen Vorlesungen gegangen, aber ich hatte kein Bild vor Augen, wie der Alltag eines Pathologen konkret aussieht: Wie sich die Arbeitszeiten gestalten, Aufgaben organisiert werden oder die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen läuft. Ich hatte deswegen nicht ansatzweise eine Vorstellung, wie attraktiv das Fach Pathologie für junge Ärzte ist, die Beruf und Familie gleichberechtigt leben möchten.
DGP: Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für das mangelnde Wissen oder auch das geringe Interesse von Studierenden am Fach Pathologie?
Solaß: Das Fach Pathologie ist im Vergleich zu anderen Disziplinen im Studium weniger sichtbar. Insbesondere fehlen Praktika. Diese sind aber enorm wichtig, weil sie die Initialzündung für die Wahl einer Fachrichtung auslösen können. Die Fachrichtungen Chirurgie oder Innere Medizin, um zwei Beispiele zu nennen, haben deutlich mehr Möglichkeiten, frühzeitig mit Studierenden in Kontakt zu kommen und über mehrere Jahre eine zunehmende Bindung herzustellen. Das geht in der Pathologie bisher nicht. Zum Wintersemester 2017/18 wurden deutschlandweit 93.946 Studenten der Humanmedizin gezählt. Es gibt in Deutschland aber weniger als 500 pathologische Institute und nur etwa 40 universitäre Pathologien. Das sind insgesamt zu wenige, um flächendeckend Famulaturen anzubieten.
DGP: Wie haben Sie das Fach während des Studiums wahrgenommen?
Solaß: Jeder Pathologe erfährt täglich, wie vielseitig und anspruchsvoll sein Fachgebiet ist. In unserem Studium haben wir nur Ausschnitte davon gesehen. Sicher erinnert sich jeder Medizinstudent an die zahlreichen Schnitte im Histologie-Seminar, die ein Gefühl der unbeherrschbaren Komplexität der Morphologie krankhafter Veränderungen hinterlässt. Das erschreckt viele Studenten. In meinem Studium wurden zudem viele Themen nicht angesprochen: Welche Bedeutung haben Entscheidungen des Pathologen für den einzelnen Patienten? Wie arbeiten unterschiedliche Disziplinen bei der Frage nach der optimalen Therapie zusammen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Beschwerden eines Patienten, der Hypothese eines Klinikers und dem Abgleich der Morphologie? Welche Rolle spielt die Pathologie in der biomedizinischen Forschung? Außerdem wird das Spektrum der Tätigkeiten in der Pathologie ja immer breiter. Die Bedeutung neuer Untersuchungsmethoden von Blut und anderen Körperflüssigkeiten wie die sogenannten „Liquid Biopsies“, der Stellenwert der Molekulargenetik in den individuellen Therapieentscheidungen finden wachsende Bedeutung. In unserer Zeit der „big data“ und der künstlichen Intelligenz schaffen digitale Techniken Aufgaben für Menschen mit ganz unterschiedlich ausgeprägten medizinischen oder auch informationstechnischen Interessen. Das Bild der Pathologie bei den Medizinstudenten ist eher staubig. Es bewegt sich aber in allen Bereichen der Pathologie viel. Diese hohe intellektuelle Anforderung empfinde ich als reizvoll. In der Pathologie darf ich selbst Teil der Erneuerung sein.
DGP: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung die Pathologie bei dem Thema Work-Life-Balance?
Solaß: Pathologie ist ideal für alle Medizinerinnen, aber auch Mediziner, die gleichermaßen ein ausgefülltes berufliches und privates Leben führen möchten. Dieses Ziel ist aber nur mit guter Organisation erreichbar. Feste Arbeitszeiten sind in dieser Hinsicht essentiell. Wie sollte ich sonst meine Kinder rechtzeitig aus der Kita abholen? Die Arbeit in der Pathologie ist besser planbar als der Alltag eines Klinikers. Das konnte ich in einem chirurgischen Ausbildungsjahr selbst feststellen. Not- und Nachtdienste, Schichten am Wochenende und an Feiertagen entfallen in der Pathologie in der Regel. Als Mutter von zwei Töchtern schätze ich das natürlich sehr. Die meisten meiner Aufgaben kann ich eigenständig organisieren und zeitlich einplanen; andere werden in Absprache mit dem Team erledigt. Viele Kolleginnen möchten auch Teilzeit arbeiten – das ist in der Pathologie möglich. Zukünftig könnte die Digitalisierung in der Pathologie auch zunehmend flexible Arbeitsmodelle oder sogar Homeoffice-Varianten ermöglichen.
DGP: Haben Sie Vorschläge, um Nachwuchsmediziner und -medizinerinnen für die Pathologie zu begeistern?
Solaß: Sie sagen es selbst, es geht um Begeisterung; also nicht nur um kognitive Inhalte, sondern auch um Emotionen. In Tübingen haben wir gerade attraktive YouTube-Videos produziert, um mit Vorurteilen aufzuräumen. Darin wird unser pathologisches Institut und sein junges, zunehmend weibliches Team gezeigt. Die Rückmeldungen und das Interesse zeigen uns, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Bei Medizinstudenten rücken Sinnsuche, Selbstverwirklichung und Spaß an der Arbeit in den Vordergrund. Strenge Hierarchien werden zunehmend abgelehnt. Junge Ärzte und Ärztinnen streben nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Das alles kann doch die Pathologie besser anbieten als andere Fachdisziplinen. Gerade diese positiven Merkmale und Chancen unseres Fachgebietes sollten jungen Ärzten vermittelt werden – durch junge und junggebliebene Pathologen, mit modernen Kommunikationsmaßnahmen, die online oder vor Ort an der Uni präsentiert werden. Anstatt über Nachwuchsprobleme zu lamentieren, sollten wir Pathologen die Medizinstudenten lieber zum Dialog oder Reinschnuppern einladen. Wer Pathologie einmal live im richtigen Team erlebt hat, kann von der Attraktivität und dem Potential des Faches nur begeistert sein.
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