Mutationen in den BRCA-Genen (BRCA = Abkürzung für Breast Cancer) werden in erster Linie mit Brust- und Eierstockkrebs in Verbindung gebracht. Allerdings zeigen Forschungen, dass diese Genmutationen auch bei Prostatakrebs eine Rolle spielen.
Diese Erkenntnis hat wichtige Implikationen – sie unterstreicht die Bedeutung genomischer Testung bei verschiedenen Patientengruppen und damit die Rolle der Pathologie, welche diese Untersuchungen durchführt. Über das metastasierte kastrationsresistente Prostatakarzinom sprachen wir mit Prof. Dr. Glen Kristiansen, Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Bonn und derzeitiger Präsident der Internationalen Gesellschaft für Urologische Pathologie (ISUP).
74.895 Männer | erkrankten 2022 in Deutschland neu an Prostatakrebs.
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15.196 Männer | starben 2022 in Deutschland daran.
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Für einen 35-jährigen Mann | liegt die Risikorate bei unter 0,1 Prozent, in den nächsten 10 Jahren an Prostatakrebs zu erkranken.
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Für einen 75-jährigen Mann | liegt die Risikorate bei etwa 7 Prozent, in den nächsten 10 Jahren an Prostatakrebs zu erkranken.
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Etwa zwei Drittel | der Prostatatumoren werden in einem frühen Stadium diagnostiziert und bieten gute Therapiechancen.
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BRCA1 und BRCA2 | sind Gene, die eine entscheidende Rolle bei der DNA-Reparatur spielen und in vielen Zelltypen zu finden sind. Mutationen in diesen Genen können zur Krebsentstehung führen bzw. zur Metastasierung, wobei BRCA2 im Prostatakarzinom relevanter ist.
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Etwa 5-10 Prozent
| der metastasierten kastrationsresistenten Prostatatumoren weisen pathogene Mutationen in den BRCA-Genen auf.
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Quelle: Robert Koch-Institut
… bei Prof. Dr. Glen Kristiansen, Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Bonn und derzeitiger Präsident der Internationalen Gesellschaft für Urologische Pathologie (ISUP):
Seit wann werden Prostatakarzinome mit BRCA-Genmutationen assoziiert?
Die Forschung hat den Zusammenhang von BRCA-Mutationen bei fortschreitenden Prostatakarzinomen erstmals 2015 in einer klinischen Studie belegt, vermutet wurde er schon etwas länger. Ein Zusammenhang mit den DNA-Reparaturgenen BRCA hat sich in den letzten Jahren so verdichtet, dass inzwischen Therapien zugelassen sind. Es ist allerdings wichtig zu beachten, dass die Stärke der Assoziation zwischen BRCA-Mutationen und verschiedenen Krebsarten variiert. BRCA-Mutationen sind im Prostatakarzinom zwar seltener, haben dann aber eine große Bedeutung für die Tumorbiologie.
Wie viele Prostatakarzinome haben eine BRCA-Mutation?
BRCA-Gendefekte werden nicht bei allen Prostatakarzinomen getestet, sondern hauptsächlich bei fortgeschrittenen Fällen, insbesondere beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakrebs. Eine Testung bei der Erstdiagnose ist meist nicht sinnvoll, da etwa zwei Drittel der Prostatatumoren früh erkannt werden und auch ohne die BRCA-Testung gute Therapiechancen haben. Bei metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs weisen etwa 11 Prozent der Patienten Genmutationen auf, wobei etwa 5 Prozent therapierelevante pathogene Mutationen haben. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Wir haben hier in Bonn 200 Fälle in 5 Jahren dokumentiert. Für diese Patienten ist seit Ende 2020 eine zielgerichtete Therapie mit PARP-Inhibitoren wie Olaparib zugelassen. Obwohl die Anzahl der betroffenen Patienten statistisch gesehen gering ist, sind die Testung und die Therapiemöglichkeiten für den Einzelnen natürlich sehr bedeutsam.
Wie beeinflusst diese Entwicklung die Pathologie?
Der Pathologe hatte früher mit einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung nichts zu tun. In den letzten zehn Jahren hat sich das geändert. Die neuen zielgerichteten Medikamente führen dazu, dass wir wieder eingebunden werden, weil im weiteren Verlauf der Krankheit Gensequenzierungen durchgeführt werden müssen. Wir verzeichnen in der Pathologie zwar nicht übermäßig viele Testungen im fortgeschrittenen Stadium, aber die Zahl ist von Jahr zu Jahr gestiegen. Wir sequenzieren dabei in einem eingeschränkten Panel gezielt die 6 bis 7 Gene, die besonders häufig bei der Prostata eine Rolle spielen. Wenn BRCA1- oder BRCA2-Mutationen gefunden werden, gibt es Therapien. Zudem empfehlen wir, in diesen Fällen eine genetische Beratung durchzuführen. Es könnte eine Keimbahnmutation sein – dann ist der Prostatakrebs vererbbar, das muss in den Behandlungsmodalitäten beachtet werden. Schon deshalb ist unsere pathologische Diagnostik essenziell.
Was sich auch geändert hat: Der Fokus bei den fortgeschrittenen Erkrankungen liegt nun auf Metastasenbiopsien. Wir testen sicherlich auch das Primärtumorgewebe, wenn der Patient eine Biopsie der Metastase ablehnt, aber die Metastasenbiopsie liefert aktuellere Informationen. Wir haben dabei gelernt, dass auch bei Knochenmetastasen DNA in hoher Qualität zu extrahieren ist,– das hatten wir so nicht unbedingt erwartet. Die Wahl der zu biopsierenden Metastase bei multiplen Metastasen bleibt aber eine Herausforderung. Ich könnte mir vorstellen, dass in Zukunft die sog. „Liquid Biopsy“, d.h. eine Blutuntersuchung, die Metastasenbiopsie ergänzen kann.
Prof. Dr. Glen Kristiansen, Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Bonn und Präsident der Internationalen Gesellschaft für urologische Pathologie (ISUP):
„Es gefällt mir, dass wir mit der molekularen Testung auf BRCA-Genmutationen bei Prostatakrebs eine weitere Subgruppe gefunden haben, der sinnvoll geholfen werden kann. Wenn wir zusätzlich auch den Mikrosatellitenstatus (MSS) bestimmen, würde sich für eine weitere Subgruppe eine Therapieoption eröffnen, und zwar mit Checkpoint-Inhibitoren. Und wenn ich in einem Biopsat sehe, dass sich das ursprüngliche Prostatakarzinom histologisch zu einem kleinzelligen Karzinom umdifferenziert hat, gibt es dafür ebenfalls die passende Medikation. Das sind jeweils nicht viele Fälle, aber in Summe – BRCA, MSS, Umdifferenzierung – sprechen wir von einem Sechstel der Männer mit fortgeschrittenem Prostatakrebs, denen wir dank Pathologie und Molekularpathologie helfen können. Ich bin sehr gespannt auf die weitere Forschung am kastrationsresistenten aber auch dem noch hormon-sensitiven und doch bereits metastasierten Prostatakarzinom.“
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