Monatsthemen

Monatsthema 02: Mikrosatelliten-Instabilität (MSI)

Medienbriefing der Deutschen Gesellschaft für Pathologie zum Darmkrebsmonat März

Was nach einer drohenden Katastrophe im Weltraum klingt, ist in Wahrheit ein Begriff aus der Pathologie bei der Untersuchung von Tumorgewebe: die Mikrosatelliten-Instabilität oder kurz MSI. Es handelt sich um einen genetischen Marker, der in jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung für die Behandlung von Darmkrebs gewonnen hat. Inzwischen wird kaum ein Biomarker in der Onkologie so breit klinisch angewendet wie die Bestimmung des Mikrosatellitenstatus.

Wir haben Prof. Dr. Dr. Jens Neumann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Gastroenteropathologie in der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP), befragt, was MSI eigentlich ist und warum der Marker so einen Aufschwung erlebt.

Das bereitgestellte Material können Sie für Ihre Berichterstattung zum Thema Darmkrebs nutzen. Gern vermitteln wir Ihnen Prof. Dr. Dr. Jens Neumann als Interviewpartner und stellen bei Bedarf weiteres Material zur Verfügung. 

 


Zahlen – Daten – Fakten

Darmkrebs
 

54.770 Menschen

(über 24000 Frauen und über 30000 Männer) erkranken in Deutschland jährlich erstmals an Darmkrebs. [1]

22.272 Menschen

sind 2022 an Darmkrebs gestorben. [2]

Kolon- und Rektumkarzinome

 

sind die beiden Krebserkrankungen, für die der Begriff Darmkrebs verwendet wird. Kolon (Dickdarm) und Rektum (Mastdarm) sind die beiden letzten Abschnitte des Verdauungssystems.

2/3

der Darmkrebserkrankungen betreffen den Dickdarm (Kolon). [1]

Ca. 15 bis 20 %

der Dickdarmtumoren weisen eine Mikrosatelliten-Instabilität auf und sind damit für Therapien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren zugänglich. [3]

Der Begriff

„Satellit“

kommt daher, dass diese DNA-Sequenzen bei der Zentrifugation im Labor oft wie separate Bänder aussehen, die um das Hauptteil der DNA (das Hauptband) kreisen oder in einer Anordnung ähnlich zu Satelliten um einen Planeten angeordnet sind.


Quellen:

[1] Robert Koch-Institut, Berlin, Zentrum für Krebsregisterdaten
[2] Statistisches Bundesamt
[3] „Cancer Immunology Research", 2023



Nachgefragt bei …

… Prof. Dr. Dr. Jens Neumann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Gastroenteropathologie in der Deutschen Gesellschaft für Pathologie e. V. (DGP), tätig im Pathologischen Institut der Ludwig- Maximilian-Universität München
 

Mikrosatelliten-Instabilität – was ist das eigentlich?

Die Mikrosatelliten-Instabilität ist ein Biomarker, besser gesagt ein Surrogatmarker, eine Art Stellvertreter für ein Problem. Sie zeigt uns an, dass die DNA-Reparatur defekt ist. Normalerweise läuft es so: Bei der Zellteilung wird der DNA-Strang geteilt und auf zwei neue Zellen verteilt, dort wird der zweite Teil neu synthetisiert. Dabei kommt es zu etwa 100.000 Fehlern, den Mismatch-Fehlern. Proteine erkennen diese Fehler und reparieren sie. Wenn dieser Korrekturmechanismus allerdings kaputt ist, kommen bei jeder Zellteilung neue Fehler hinzu, also Mutationen, die letztlich die Entstehung und Weiterentwicklung von Tumoren begünstigen können. In der Tat haben Dickdarmkarzinome mit einer MS-Instabilität 12 Mal mehr Mutationen als ein Karzinom mit MS-Stabilität. Wir sehen und messen diesen Effekt in bestimmten Teilen des DNA-Strangs, die Mikrosatelliten heißen. Gibt es Größenverschiebungen in diesem Teilstrang, liegt Instabilität vor, und wir wissen, warum der Darmkrebs entstanden ist: weil die DNA-Reparatur defekt ist. 
 

Ist dieser Marker etwas Neues?

Nein, so kann man das nicht sagen. MSI-Testungen gibt es bereits eine Weile, ursprünglich aber nur bei Verdacht auf erblich bedingten Darmkrebs, auch Lynch-Syndrom genannt. Später lernten wir, dass die MSI bei allen Dickdarmtumoren Prognosen über den Krankheitsverlauf erlaubt. Zum Bei-spiel ist für Menschen mit Darmkrebs die Mikrosatelliten-Instabilität de facto eine gute Nachricht für den Krankheitsverlauf: Es bestehen bessere Chancen für das Ansprechen auf bestimmte Therapieformen, und es entwickeln sich seltener Fernmetastasen. Trotzdem war die MSI-Testung lange ein Nischenthema, eine Spezialdiagnostik. Das ist heute grundlegend anders.
 

Warum ist das so?

Weil wir neue Medikamente wie die Immuncheckpoint-Therapie haben und klar sagen können, dass bei einem MSI-Tumor Betroffene für eine Immuntherapie in Frage kommen. Das betrifft ca. 15 bis 20 Prozent aller Dickdarmtumoren, bei denen das der Fall ist. Ohne MSI ist der Erfolg sehr gering. Der Marker beeinflusst also die Therapieentscheidung und hat nicht nur bei Darmkrebs, sondern auch bei Gebärmutterkrebs (über 30 Prozent MSI-Tumoren) und Magenkarzinom (nahezu 20 Prozent) eine prädiktive Funktion. Wenn in fortgeschrittenen Stadien anderer Krebsarten eine Immuncheckpoint-Therapie erwogen wird, wird der Mikrosatellitenstatus ebenfalls bestimmt. Es ist also ein sehr wichtiger Marker für personalisierte Behandlungsmethoden bei Krebs. Und möglicherweise ist die MSI bei Frauen mit Darmkrebs sogar von größerer Bedeutung für die Tumortherapieauswahl als bei Männern, wie kürzlich auf dem Deutschen Krebskongress 2024 berichtet wurde – Stichwort: geschlechtersensible Krebstherapie. Hier wird künftig noch stärker geforscht.   

Apropos: Die Mikrosatelliten, über die wir hier sprechen, sind auch außerhalb von Krankheiten interessant: für Vaterschaftstests zum Beispiel oder bei der Aufklärung von Verbrechen per genetischem Fingerabdruck. Mikrosatelliten sind ausgesprochen aussagekräftige kleine DNA-Teile.


 

Zitat

Prof. Dr. Dr. Jens Neumann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Gastroenteropathologie in der Deutschen Gesellschaft für Pathologie e. V. (DGP):

„Wir haben in Deutschland eine sehr gute Infrastruktur, was die Testung des Mikrosatellitenstatus bei Darmkrebs angeht. Wir können die Testung flächendeckend anbieten, und zwar qualitätsgesichert. Die Qualitätssicherungs-Initiative Pathologie (QuIP) organisiert für pathologische Praxen, Institute und Klinikpathologien national und international zertifizierte Ringversuche für alle Biomarker, die eine therapeutische Konsequenz haben, so auch für MSI. Die Ergebnisse werden dokumentiert und fließen in die Qualitätssicherung ein – ein lernendes System. Auf diese Struktur kann die Pathologie in Deutschland wirklich stolz sein.“


 

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Termine
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Quicklinks

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